Die Zeit ist reif…

Ich beiße mich durch und verbringe endlose Stunden am Strom. Der Tank ist einmal mehr im roten Bereich und die Motivation gerade an einem Nullpunkt. Immer wieder fahre ich die vielen Kilometer über Autobahn und Land doch der Kescher bleibt trocken. Kurzzeitig denke ich, dass der Turnaround geschafft sei. Ein paar Fische fanden den Weg in mein Netz, doch so schnell wie sie kamen, gingen sie wieder.

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Ein dicker Schuppenkarpfen beim Einpacken… Hammer!

Es sind halt Zugtiere. Heute hier. Morgen dort. Man kann nur hoffen, dass sie vorbeikommen und sich merken, wo es gutes Futter gibt. Doch bisher scheinen sie an Alzheimer erkrankt. Sie erinnern sich nicht, kommen nicht zurück oder bleiben gar aus. Die dicken Boliden, von denen ich im letzten Jahr doch so viele fing. Die massiven schweren Spiegler mit ihren prall gefüllten Leibern. Sie scheinen wie vom Erdboden verschluckt. Ich bekomme Gänsehaut bei dem Gedanken, solch eine Maschine könne jederzeit wieder ablaufen. Doch es bleibt bei einem Gedanken. Ein Wunsch, der wie eine Seifenblase zerplatzt. Wenn ich so da liege und es mir richtig gemütlich gemacht habe, merke ich erst, wie hart die Angelei am Fluss doch wirklich ist. Getragen von den vielen guten Stunden, schienen mir die langen Blankphasen im Frühjahr nichts ausgemacht zu haben. Permanent erinnerte ich mich an positive Momente und verdrängte das Verhältnis von Aufwand und Ertrag. Mittlerweile scheint der Puffer meiner positiven Wolke so sehr geschrumpft zu sein, dass sich Zweifel breit machen. Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich überlege aufzugeben. Macht das alles einen Sinn? Diese Frage kommt auf, wenn schon länger kein Fisch mehr klingelte. Doch ich weiß, dass es richtig ist. Das Futter. Der Platz. Der Ehrgeiz.

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Meine Angelei in 2015 : Ein Auf und Ab!

Aber wo bleibt die Belohnung. Wo das Signal, dass es richtig ist, was ich hier tue. Während sich Engelchen und Teufelchen auf meinen Schultern streiten und ich es längst aufgegeben habe, die Gedanken zu sortieren, lösche ich das Licht. Ich ziehe den Reißverschluss meines Schlafsacks hoch und schließe die Augen. Das Grummeln des letzten Schiffes vernehme ich nur beiläufig. Nichts piept. Alles bleibt liegen. Kurze Zeit später bekomme ich einen Lauf. Der Fisch kämpft in der Anfangsphase gut, doch lässt sich schnell an die Oberfläche pumpen. Es ist eine Barbe. Zwar in stattlicher Größe, doch nicht mein Zielfisch. Sie wird schonend behandelt. Jeder Fisch, jedes Tier verdient Respekt. Schnell komme ich wieder in den Schlaf und genieße die Ruhe. Niemand stört. Kein Wecker wird klingeln. Kein Stress mich treiben. Einfach Angeln. So wie ich es mag! Und selbst wenn mich die Vögel morgens wecken und ich mit zerknautschtem Gesicht durch den Sucher meiner Kamera schaue, um die ersten Sonnenstrahlen des Tages zu fotografieren, bin ich glücklich und ganz schnell hellwach. Längst ist es hell geworden und ich habe meinen Schlaf abgebrochen.

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Das Setup muss stabil sein. Flussangeln ist hart…

 

Ich beobachte die Wasseroberfläche, doch Fischaktivität bleibt einmal mehr aus. Schnell erreicht die Uhr 9 Uhr und mein Sitzfleisch wird dünner und dünner. Ich beginne abzubauen. Erst meinen Schirm, dann meine Liege und die vielen anderen kleinen Helfer, die man so dabei hat. Meine Ruten baue ich immer als erstes auf und als letztes wieder ab. Gerade als ich den Hänger der rechten Rute in der Hand halte und die Schnur lösen möchte, reißt es Schnur von der Rolle. Ich blicke die Situation zwar noch nicht ganz, aber intuitiv nehme ich die Rute auf und bringe die Schnur auf Spannung. Tatsächlich hängt ein Fisch am Band. Doch die Schnur muss zwischen den vielen Steinen hängen geblieben sein, als der Fisch die steile Kante zur Fahrtrinne runtergeschwommen ist. Ich mache mir leicht Sorgen, dass die dicke Schlagschnur eventuell doch versagen könnte. Der Drill fühlt sich ganz komisch an. Auf der einen Seite kämpft der Fisch, dann verläuft die Schnur zum Grund und dann zu meiner Rutenspitze.

 

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Steine und Muscheln ribbeln die Schnur auf. Der Aufdruck auf der Rolle sagt alles: Resistant!

Der Fisch tauchte jetzt schon zweimal an der Oberfläche mitten im Fluss auf, denn die Fluchtrichtung ist stehts entgegen des Zuges. Ich ziehe durch die festsitzende Schnur oder des festsitzende Blei aus Richtung des Gewässerbodens. Eine seltsame Situation. Jeder Zug an der Schnur und jede Umdrehung der Rolle lässt meine Hoffnung, den Fisch zu laden, im Keim ersticken. 10-15 Meter gewinne ich zurück, ehe es einen Schlag in der Rute gibt. Das Blei taucht auf.

 

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Von oben wacht der Kaiser Wilhelm über die Schätze der Weser!

Der Fisch ist frei! Geil! Kurze Zeit später lande ich einen großen unförmigen Schuppenkarpfen. Wow, was für ein Fisch. Und dann auch noch direkt beim Einpacken. Wahnsinn. Die Freude bricht aus mir heraus! Das ist Karpfenangeln. Wenn du denkst am Boden zu sein und kurz vor dem Ausstieg stehst, alles in Frage stellst, wird deine Angelei wieder durch einen Erfolg bestätigt. Es ist unglaublich und schraubt den Ehrgeiz und die Motivation wieder auf ein gesundes Maß. Weiter geht’s!

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Mehr von meiner Flussangelei gibt es in der aktuellen Ausgabe twelve ft.! 

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