Kaltstart am Fluss

Unsere Welt ist in den letzten Wochen und Monaten aus den Angeln gehoben, der Shutdown und das dafür verantwortliche Virus regiert unseren Alltag, wie ich es hätte mir niemals vorstellen können. So wurden auch meine anglerischen Pläne auf den Kopf gestellt. Eigentlich wollte ich das Frühjahr an einem See in den Niederlanden auf gewichtige Zielfischjagd verbringen, doch wie bei Vielen, wurde mir da ein gehöriger Strich durch die Rechnung gemacht. Besonders ärgerlich war, dass ich dort mittlerweile Fuss gefasst hatte und auch schon Fisch fangen konnte. Naja aufgeschoben ist nicht aufgehoben, ich komme wieder und erreiche mein Ziel, da bin ich mir sicher. Nichts desto trotz, war nicht zu Fischen wegen des Kontaktverbots auch keine Lösung, also musste Plan B her.

Plan B – der Fluss

Ich entschied mich für den Fluss. Das Fließgewässer stand ursprünglich auch auf meiner Agenda für 2020, wenn auch erst für den späteren Jahresverlauf.  Ins Auge hatte ich einen Abschnitt mit vermeintlichen Holdingareas in Form von überhängenden bzw. versunkenen Bäume sowie Auenbereichen gefasst. Hinzu kommt ,dass das Wasser dort nicht besonders tief war und sich somit schneller erwärmen würde. Ich fischte dort vor 10 Jahren das erste Mal und kannte mich somit ganz gut aus und wusste was dort zutun war um an Fisch zu kommen. In den letzten drei Jahren tauchte ich dort aus den verschiedensten Gründen jedoch nur noch sehr sporadisch auf, also war es für mich umso spannender ob sich die Angelei und das Verhalten der Fische dort verändert haben könnten. Als ich zu füttern begann, waren die Ufer noch vom letzten Hochwasser gezeichnet und es war die reinste Schlammschlacht um ans Wasser zu gelangen. Futtertechnisch griff ich auf meine „All time favourites“ für die Flussangelei zurück. Es flogen demnach ca. 2 kg VNX+ und Scoberry Boilies in den Strom. Diese Ranges brachten mir schon einige Fische ans Band und sind meiner Meinung nach eine perfekte Kombination aus Attraktivität und Auffälligkeit. Gerade hier im Fluss wo der Anteil an Schuppenkarpfen deutlich dem an Spiegelkarpfen überwiegt, sind diese beiden Boilies ein wahrer Erfolgsgarant.

All time favourite

Ich begann also im zwei Tagesrhythmus den Spot vorzubereiten und hoffte so bis zum ersten Ansitz genug Vertrauen geschaffen zu haben, sodass sich die Fische  im näheren Bereich aufhalten würden und den Platz regelmäßig anschwimmen würden. Es war mittlerweile Ende März als ich es nicht mehr abwarten konnte und den ersten Versuch wagte. Am besagtem Tag schien die Sonne und das Thermometer brachte es auf 13 °C. Die Sonne spielte mir definitiv in die Karten, da war ich mir sicher. Dennoch waren meine Hoffnungen noch sehr verhalten. Der Fluss schien noch im Winterschlaf zu liegen. Keinerlei Bewegung Über- noch Unterwasser ließen mich zweifeln. Nicht desto trotz machte ich schnell die Ruten klar und platzierte zwei Montagen im gegenüberliegenden Uferbereich und eine Rute an der eigenen Uferkante. Meine Erfahrung der letzten Jahre zeigte mir oft, dass gerade die Uferbereiche in einem sonst eintönigem Flussbett sehr produktiv sind. Bestückt hatte ich meine Rigs mit einzelnen Boilies, wie ich sie auch gefüttert hatte.

Die Nacht begann ohne jegliche Aktion. Bis mein Micron gegen 23:30 Uhr einen einzelnen Ton von sich gab, der glücklicherweise von einem flusstypischen Dauerton gefolgt wurde. Da war er, der erste Flussfisch 2020. Entgegen meiner Erwartung waren die Fische doch schon da und sie fraßen. Nach einem stattlichen Drill konnte ich meinen ersten Flussschuppi über den Kescherrand ziehen und war wirklich sehr glücklich, dass mein Plan anlief. Doch bei dem einen Lauf sollte es nicht bleiben. Ich hatte den Fisch gerade versorgt, da pfiff die nächste Rute vom gegenüberliegenden Ufer ab…“Was war denn hier los?“ dachte ich nur. Jedoch verlor ich den Fisch nach einem kurzen Kontakt leider. Schnell legte ich Futter nach und machte die Rigs wieder scharf. Jetzt hatte mich das Fieber gepackt und die Erwartungen waren groß gerade in den „heißen“ Morgenstunden noch einmal zuschlagen zu können. Doch es passierte…nichts! Vielleicht doch nur ein Trupp der gerade durchgezogen war. Ich war jedoch sicher in den nächsten Wochen mehr Fisch zum Platz und auch an Land zu bekommen. Natürlich hielt ich den Bereich weiter unter Futter.

Welch ein erlösendes Gefühl

Gut eine Woche später stand Session Nr.2 auf den Plan. Es war Sonntag, das Wetter war frühlingshaft, wunderschön. Die Temperatur war hoch, der Luftdruck fiel etwas ab. Ich war mir fast sicher zu fangen. Zum Dienstschluss um 18 Uhr konnte ich es nicht erwarten ins Auto zu stürmen und ans Wasser zu fahren. In Anbetracht der Uhrzeit an der ich am Wasser ankommen würde war es von Vorteil, dass ich die Ruten beim letzten Mal einclipte und sie so direkt und schnell wieder auf die Spots werfen konnte. Auch meine Rigs hatte ich bereits am Vorabend mit Ködern bestückt. Ich wollte keine Zeit verlieren und so effektiv wie möglich agieren. Alles klappte perfekt und so ging ich voller Erwartungen in die Nacht. Besonders die Tatsache, dass sich nun auch Fische zeigten machte mir Mut auf eine Nacht mit Aktion. Doch wie es immer so ist, passierte nichts bis zum Morgen. Ich schlief durch, zumindest bis um 6:15 Uhr…da riss mich dann doch noch der erhoffte Dauerton von der Liege. Ich stürmte aus dem Zelt und erschrak kurz, denn es war doch recht kalt. Blank und Kescher waren mit Eis bedeckt, vielleicht ein Indikator dafür warum es Nachts so ruhig blieb. Das Adrenalin ließ mich jedoch die kälte schnell vergessen und ich konzentrierte mich auf den Drill. Schnell war klar, dass mein Gegenüber nicht der Gewichtigste war, dennoch wusste er, wie er sich in die Strömung stellen musste um mir das Leben schwer zu machen. Letztendlich stand ich jedoch als Sieger da und konnte den kleinen Schuppmann zum Landgang einnetzen.

Die Nacht war sehr kalt geworden
Kleiner Schuppmann am Morgen

Nach schneller Fotosession entließ ich den Halbstarken wieder. Jetzt erst einmal einen Kaffee, dachte ich mir und überlegte währenddessen wie ich die letzten paar Stunden vielleicht noch effektiv nutzen konnte. Ich wollte mir die aufgehende Sonne zu nutze machen und versuchen den einen oder anderen Fisch mit einem Pop Up aus den versunkenen Bäumen zu locken. Gesagt, getan. Schnell das German-Rig gegen ein Spinner-Rig , gebunden mit einem 6er  Kamakura Wide Gape, getauscht und zielgenau unter einen Baum katapultiert. Nach kurzer Zeit, ich telefonierte gerade mit einem guten Freund um ihm mein Resultat der Nacht durchzugeben, zimmerte die Pop Up Montage los. Das Handy flog ohne aufzulegen ins Zelt und ich rannte zur Rute. Der Fisch war vom Gefühl her gewichtiger als sein Vorgänger , konnte aber die Gegebenheiten in Form von Strömung nicht so gekonnt einsetzten.

Ich wollte noch die aufgehende Sonne nutzen

Ich hatte den Fisch recht schnell vor dem Kescher, da passierte es …der gefühlt erste Kopfschlag und mir flog das Rig entgegen. Der Fisch verschwand in Richtung Flussmitte.  Das konnte nicht wahr sein. Ich war mir sicher den nächsten Schuppenmann, diesmal um  die 15 Kilo, in die Kamera halten zu dürfen. Aber nichts war‘s mit dem Shooting. Ich denke der ultrascharfe Kamakura hakte zu knapp und packte nicht genug Fleisch. Enttäuscht und etwas Wütend warf ich die Montage direkt wieder unter den Baum. Was mir dann jedoch wahre Gewissensbisse bescherte, da ich die Hakenspitze nicht kontrollierte. Ich rang mit mir die Rute zu kontrollieren oder sie liegen zu lassen. Mein innerer Konflikt wurde dann glücklicherweise durch einen Ton unterbrochen…

Dafür fahre ich an den Strom!

Fullrun stromaufwärts. Der Bursche hatte Dampf wie man es sich von einem Karpfen aus dem Fluss erhofft.  Der Fight verlangte mir und meinem Material alles ab und je länger er dauerte desto größer wurde meine Sorge das auch dieser Fisch gewinnen könnte. Doch nach unendlichen Minuten konnte ich den Fisch in den Kescher führen. Na klar, wieder ein Schuppi und wohlgenährt deutlich über 15 kg.  Meine Freude war riesig und ich war mehr als froh die Rute liegen gelassen zuhaben. Der Haken saß diesmal perfekt. Das sind die Fische für die ich an den Strom fahre und es so dermaßen liebe dort auf Karpfen zu fischen. Hier ist alles möglich und ich bin stets aufs neue geflasht welche Power die Karpfen hier entwickeln können.  In diesem Sinne, nehmt die Herausforderung „Karpfenangeln am Fluss“ einmal an. Es lohnt sich, versprochen.

Keep going!!!

Chris Unbereit

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