Plan B

„Die Zeit ist nur der Fluss in dem ich angle. – H.D. Thoreau“

Die Aktivitäten der Karpfen halten sich noch in Grenzen. Das Wasser ist noch zu kühl um den Stoffwechsel richtig anzukurbeln. Krautreste bewegen sich in der kalten Strömung und ein paar Rotfedern schwirren hektisch unter meinem Boot umher. Ich ziehe den Kragen meiner Regenjacke in die Höhe und beim Ausatmen läuft meine Brille völlig an. Die nasse Luft reinigt meine durch Smog geplagten Lungen und ein Gefühl von Freiheit überkommt mich als der Stadtlärm beginnt immer leiser zu werden.  Das Boot gleitet rhythmisch über die Wellen. Immer meinem Ziel entgegen. Meine Strategie hatte ich mir schon detailgenau festgelegt. Immerhin konnte ich die letzte Nacht kaum schlafen. Meine Gedanken waren voll und ganz bei den Fischen. Manche würden meinen, dass sei verrückt… ich würde ihnen rechtgeben…

Am anvisierten Platz angekommen, begann ich mein spärliches Tackle auszuladen. Ein Bedchair samt Ruten und einem Rucksack. Mehr brauchte ich nicht um mich  wohlzufühlen.

Auf ein Zelt wollte ich verzichten. Kann man doch ohne die lästigen Kunststoffwände viel besser in die Natur eintauchen. Die Eindrücke der eisigen Frühlingsnächte sind immer wieder etwas ganz besonderes. Zum Schutz vor der entstehenden Nässe spannte ich mein Bedchaircover an einer Ecke auf einen Stormstick. So spart man Gepäck, Zeit und ist inmitten der Natur.

Der schlammige Boden unter meinen Füßen wurde bei jedem Schritt immer tiefer durchwühlt. Nach einigen Sessions sieht es immer so aus als ob sich hier ein paar Wildschweine gesuhlt hätten.

Meine Taktik beinhaltete kleine auffällige Köder, welche ich auf sandigem Untergrund präsentieren wollte. Kurze Zeit später lagen die Ruten an ihren vorhergesehen Plätzen und ich warf einen Teebeutel in die Kanne. Ich liebe den Duft von Schwarztee und feuchter Frühlingsluft. Eine Kombination die es so zum Glück noch nicht in Spraydosen zu kaufen gibt. Meine Blicke schweifen über die düstere Wasseroberfläche und die letzten Sonnenstrahlen verziehen sich hinter den Betonkolossen.

Plötzlich springt einer meiner Bobbins auf und ab. Mir schwant nichts Gutes als ich die Rute vom Buzzer Bar nahm. Der Kontakt zum Fisch bestätigte meine Annahme und die erste Brasse konnte im Wasser abgehakt werden. Ich habe wirklich nichts gegen diese Tiere, doch können sie die Idylle einer Nacht im Nu zerstören. Kaum platzierte ich die Rute neu, zeugte meine Zweite von Brassenwirbel. So ging es nun munter weiter bis mir die ganze Situation zu blöd wurde. Auch mit größeren Ködern konnte ich nicht wirklich selektieren und so beschloss ich meinen zurechtgezimmerten Plan zu verwerfen. Die Stunden in denen ich mich von einer Seite im Bett auf die andere wälzte, waren also wieder mal unnütz. Es lag auf der Hand, dass die Klodeckeln an den sandigen Stellen im Freiwasser umhergeisterten. Ich beköderte meine Rigs mit einzelnen Tigernüssen. Diese waren um einiges unattraktiver als die restlichen Köder die ich im Talon hatte. Die Sandbänke musste ich streichen, also beförderte ich meine Montagen, eingebettet in PVA Bags, direkt ins dichte Kraut. Schwere Bleie sollten dafür Sorge tragen, dass es die Montagen bis an den Grund schaffen.

Es war bereits spät in der Nacht als ich meine Idee in die Tat umgesetzt hatte. Der erste Erfolg stellte sich relativ schnell ein, denn meine Nevs blieben stumm. Ich hatte zwar ein ambivalentes Gefühl was die Präsentation der Köder betraf, doch wenigstens konnte ich noch ein paar Stunden schlafen bevor es auf die Uni ging. Doch kaum schloss ich die Augen, bohrte sich ein schriller Piepton in meinen Schädel. Ein Run, und was für einer… Nach einem brutalen Krautdrill konnte ich einen feisten Schuppenkarpfen befreien.

Ich war überglücklich, dass mein Bauchgefühl wieder Recht behalten sollte. Bestärkt durch den Erfolg, manövrierte ich die Montage wieder auf denselben Platz im Kraut. Das Geräusch des Schnurclips und die weiche Landung des Bleies bestätigten mein Tun erneut. Es vergingen keine zwei Stunden bis ein bulliger Spiegler auf der Matte landete.

Was für eine Ausnahmesession! Und das nur dank des Plan B!

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