Short Nighter – No Excuses

Short Nighter

Manchmal wünsche ich mir meine Studentenzeit zurück. Ausgedehnte Semesterferien, abgesehen von den Klausurenphasen viel freie Zeit und keinerlei Verpflichtungen. Selten packte ich meine Sachen für weniger als zwei Nächte, oftmals hatte ich sogar deutlich mehr Zeit zur Verfügung.

Mit dem Ende des Studiums, dem Eintritt in den Berufsalltag, der Gründung einer eigenen Familie mit all der damit einhergehenden privaten Verpflichtungen, war ich mehr oder minder gezwungen, meine Angelei entsprechend anzupassen. So besteht meine „Alltags-Angelei“ dieser Zeiten weitestgehend aus einzelnen Nächten, oftmals unter der Woche und selten länger als 12 Stunden.

Leicht und unauffällig, auch die Wahl des mitzuschleppenden Tackles gehört bei schnellen Aktionen dazu

Das soll keineswegs nach einem Jammern klingen, ist es doch der Weg den ich selber gewählt habe. In diesem Zusammenhang fallen mir immer wieder Leute auf, die die Fangerfolge anderer Angler mit den Worte: „ach der hat ja auch Zeit ohne Ende“ abtun. Wenig verständlich für meine Begriffe, denn die abstrakte Möglichkeit viel Zeit am Wasser zu verbringen haben wir theoretisch alle, nur wählen wir mit der Zeit im Leben Optionen, die unsere zeitlichen Kapazitäten in Hinblick auf das Angeln reduzieren. Keiner zwingt uns zeitintensive Jobs anzunehmen oder eine Familie zu gründen. Im Zweifel entscheiden wir das aus freien Stücken. Wer auf diese Dinge im Leben verzichtet und sich bewusst für mehr Angelzeit entscheidet, hat ebenfalls mit Entbehrungen -wenn auch anderer Art- zu kämpfen. Also keine Ausreden!

Apropos Ausreden…

Wie oft hört man: „Ich habe einfach keine Zeit zum Angeln“. Was bedeutet das, keine Zeit zu haben? Denn auch wenige Stunden, die sich wohl jeder hin und wieder freischaufeln kann, können wir effektiv nutzen. Während in diesem Zusammenhang oftmals die Fischerei bei Tage beschrieben wird, bei der man die Fische aktiv sucht und gezielt in kurzen Zeitfenstern beangelt, möchte ich in den folgenden Zeilen auf die möglichst effektive Angelei in der Nacht eingehen, ein Zeitfenster, das sich wohl die meisten von uns hin und wieder freischaufeln können. Nach dem Spätsommer werden die Tage schnell kürzer, sodass man unter der Woche oft erst in der Dämmerung, wenn nicht sogar später am Wasser eintrifft. Im worst case klingelt der Wecker, um auch pünktlich wieder auf der Arbeit zu sein, am nächsten Tag bereits um 6 Uhr. Fische auf Sicht zu lokalisieren fällt damit schwer. Doch auch die Nachtstunden können wir -trotz geringem Zeitpuffer- effektiv nutzen.

Stellenwahl

Nicht wirklich überraschend, spielt auch bei der Angelei über kurze Nächte hinweg die Stellenwahl eine zentrale Rolle. Viele der von mir befischten Gewässer haben eine Gemeinsamkeit: Die beste Beisszeit liegt in den späten Morgen- bis frühen Mittagsstunden, sprich zwischen 9-13 Uhr. Nicht gerade ideal, wenn man um sieben Uhr schon wieder mit gepackten Sachen im Auto sitzen will bzw. muss. Nicht nur einmal hörte ich von anderen Anglern über diese Gewässer, dass sich allein aufgrund dieser Tatsache kurze Nächte unter der Woche hier nicht lohnen würden. Aber erstens fängt man auf der Couch mit absoluter Sicherheit noch weniger und zweitens kann auch diesbezüglich die richtige Stellenwahl Abhilfe schaffen. Aus eigenen Erfahrungen und Information, die ich von befreundeten Anglern erlange, gelingt es an fast jedem Gewässer bestimmte Spots zu identifizieren, die überproportional häufig nachts Bisse produzieren. Um solche Stellen auszumachen bedarf es natürlich entweder sehr auskunftsfreudiger anderer Angler, oder eines breiten eigenen Erfahrungsschatzes in Hinblick auf das entsprechende Gewässer. Denn es scheint aus meiner Erfahrung heraus kaum möglich, diese Spots abstrakt in allgemeingültiger Form zu beschreiben, hängen sie doch in der Regel in hohem Maße mit den Zugrouten der Fische im jeweiligen Gewässer zusammen.

Mit aufgehender Sonne heißt es leider oftmals schon Einpacken…

Darüber hinaus müssen die zu beangelnden Stellen im Idealfall derart beschaffen sein, dass eine saubere Präsentation der Montagen auch bei Dunkelheit möglich ist. Denn zum einen kommen wir im Zweifel mit dem letzten Licht erst am Wasser an, zum anderen will man ja auch nach einem Fisch in der Lage sein, die Falle während der Nacht noch einmal scharf zu stellen. Dabei bieten sich Stellen, an denen die Rute mehr oder weniger rausgependelt oder sogar mit der Wathose rausgelaufen werden kann natürlich an. Freiwasserspots sollten vorher genaustens abgelotet werden, sodass wir sie unter Zuhilfenahme von Distance Sticks oder ähnlichem sicher treffen. Auf die Nutzung eines Bootes, welches das Ablegen der Montagen bei Dunkelheit natürlich deutlich erleichtern würde, verzichte ich nach Möglichkeit. Der Prozess des Auf- und Abbauens, sowie der auf den schwimmenden Untersatz entfallende zusätzliche Ballast, bereitet für solche Aktionen einfach zu viel Aufwand.

So sehr ich die Angelei mit dem Boot auch liebe, bei schnellen Nächten verzichte ich nach Möglichkeit auf dn schwimmenden Untersatz.

Vorbereitung

Einmal die richtige Stelle gefunden gilt es nun, die kurze Angelzeit gut vorzubereiten und das in vielschichtiger Hinsicht.

Zum einen versuche ich, soweit möglich, meine ausgewählten Stellen möglichst regelmäßig (mindestens alle 2 Tage) zu füttern. Dabei können wir durch die Fütterungszeit meiner Erfahrung nach auch die Beisszeit zumindest in beschränktem Maße weiter zu unseren Gunsten beeinflussen Ich versuche also logischerweise die Fütterungen in die (späten) Abendstunden zu legen.

Aber auch über das Vorfüttern hinaus, sollten wir den Grad der Vorbereitung maximieren um die zur Verfügung stehende Zeit auch wirklich effizient zu angeln. Es ist in solch einer Situation wenig produktiv, am See angekommen erstmal die Tacklebox durchwühlen und neue Rigs oder Ähnliches binden zu müssen. Der Griff in ein gut sortiertes, mit vorgefertigten Rigs reichlich bestücktes Rigboard spart dabei produktive Angelzeit. Ein gewisser Grad an Routine beim Auf- und Abbauen, möglichst wenig unnötiger Ballast und ein ausreichendes Maß an Fokussiertheit ohne den alle 2 Minuten erfolgenden Blick auf das Smartphone.

Futtertaktik

In den allermeisten solchen Fällen sollte es unser Ziel sein, EINEN Fisch zu fangen (dazu unten mehr). Wir angeln im Zweifel also auf einen oder maximal zwei Bisse. Es wäre in dieser Situation widersinnig, kiloweise Beifutter um den Hakenköder zu legen. Aufgrund der im Idealfall durchgeführten Futterkampagne kennen die Fische den Spot, wir brauchen also keine Massen an Futter um sie auf den Platz aufmerksam zu machen. Vertrauensvoll fressen können die Fische an anderen Tagen, jetzt wollen wir sie haken und das möglichst schnell. Ich beschränke mich -falls überhaupt- auf ein Minimum an Beifutter. Mit jedem Köder, den wir zusätzlich zum Hakenköder einbringen, sinkt unsere Chance, dass Letztgenannter während unseres kurzen Aufenthalts am Wasser im Karpfenmaul landet. Es gibt also keinen rationalen Grund dafür in dieser Situation während des Angelns Unmengen an Futter einzubringen.

Das dauerhafte abendliche Füttern machte sich bezahlt, dieser gute Vierziger hakte sich bereits nach wenigen Minuten Angelzeit auf dem gut vorbereiteten Platz

Sonstiges

Sofern die Angelei über kurze Nächte während der Arbeitswoche eine dauerhafte Angelegenheit werden soll, muss man sich natürlich überlegen, wie man dies mit seinem Arbeitsalltag in Einklang bringen kann. Weder wir noch unser Arbeitsgeber werden besonderen Spaß daran haben, wenn wir uns nach einer solchen Aktion völlig gerädert durch den Arbeitstag quälen. Meine Faustregel ist daher, dass ich auf Dauer gesehen maximal 1-2 Aktionen pro Nacht bekommen darf. Natürlich lasse ich die Ruten nicht draussen, sollte ich einmal bis 1 Uhr schon 2 Fische gefangen haben, allerdings suche ich mir meine Gewässer in Hinblick auf ihren Fischbestand so aus, dass mehr als 2 Bisse in den max. 10-12h am Wasser eher die Ausnahme sind. Das hat darüber hinaus noch den positiven Nebeneffekt, dass es sich bei diesen Gewässern in der Regel um solche mit einem relativ hohen Durchschnittsgewicht handelt.

Klasse statt Masse, statt müder Augen gibt es bei einem einzigen Biss und solch einem Fisch ein strahlendes Gesicht, welches sich auch über den folgenden Arbeitstag hinweg hält.

Sofern man die genannten Punkte berücksichtigt, kann man auch aus wenigen nächtlichen Stunden unter der Woche ordentliche Erfolge generieren. Es ist nunmal wie so oft, rumheulen gilt nicht!

In diesem Sinne wünsche ich euch eine erfolgreiche Zeit am Wasser.

Beste Grüße

Simon

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