Der Fisch meiner Jugend

Nur noch selten stehe ich am Ufer des alten Baggersees. Nur wenn ich wenig Zeit habe kehre ich noch zurück zu diesem See, der lange Zeit meine Fischerei prägte. Im Jahre 2005 fing dort ein Bekannter einen genialen Schuppi……monströser Kopf und endlos lang. Eine majestätische Erscheinung. Zwischen den anderen Karpfen sucht man die Dame vergeblich. Sie ist ein Dickkopf und macht ihr eigenes Ding. Ich wollte sie unbedingt fangen und hatte dann endlich im August 2007 Glück – also fast 2 Jahre später. Meine intensive Fischerei an diesem See ging 2008 zu Ende. Nur gelegentlich angele ich bis jetzt noch an diesem See. So auch vor Kurzem. Ich habe ein paar Fische zwischen den Seerosen gefunden und wollte dort unbedingt meine Falle stellen. Eine einzelne Tigernuss als Hakenköder, dazu eine Schippe Tigernüsse und ein paar Hanfkörner – das sollte reichen.

Ich war mir unschlüssig wo ich die andere Rute plazieren sollte. Ich hatte einen Platz, ein Plateau mit 3 m in die engere Auswahl aufgenommen. Leichtes Bodenkraut, darin viel Kleingetier. Das wird schon – denke ich. Vorsichtshalber montiere ich einen Pop Up und lasse ihn 5cm auftreiben. Ich setze mich ins Boot und bin schon auf den Rückweg zum Ufer, als ich mich noch umentscheide. Warum auch immer. Watercraft ? Nein, eher nicht. Es ist wohl das Bodenkraut, dass mich beunruhigt. Ich kurbel die Montage wieder ein. Ein neuer Platz muss gefunden werden. Ganz in der Nähe liegt eine große Insel, deren Ausläufer wohl der am härtesten beangelte Platz im ganzen See ist. Ich bin zwar nicht der Typ, der diese Plätze bevorzugt, aber an diesem Tag war es so! „Wenn ich schon Plätze beangle, die jeder Holzkopf befischt, dann aber wenigstens mit einer Futtertaktik die sich von den anderen abhebt“, denke ich mir und drehe einen kleinen Eimer Hanf im Flachwasser bei 1m Tiefe um. Ungefähr 5 Meter entfernt, in einer Tiefe von 3,5 Metern mache ich mal wieder kleine Fraßlöcher aus, die an diesem Platz aber nichts Ungewöhnliches sind ! Dort versenke ich den pinken Pop Up auf Sicht. „Simon, so wird das nix“, denke ich mir, als ich meinen Hakenköder am Boden sehe. Viel zu langes Vorfach, viel zu weit aufgepoppt. Ich kurbel die Montage erneut hoch und öffne meine Vorfachtasche. „Scheiße, mal wieder nix passendes vorgebunden“. Kurze Zeit später sieht die Sache schon besser aus. Pefekt für diesen überfischten Platz, perfekt für vorsichtige Fische: Nur schwach (1cm) aufgepoppt, dazu ein sehr kurzes Rig am Inlineblei. „Der Pop Up, der so ganz alleine weit entfernt vom Hanf rumdümpelt braucht noch etwas Gesellschaft,“ denke ich mir und schmeiße 7 oder 8 Halibutt Pellets dazu.

Nach wenigen Stunden beginnt ein ordentlicher Regenschauer, der sich auch während meines ersten Drills ordentlich ausschüttet. Das Ergebnis: ein kleiner Spielger, vielleicht 3  oder 4 Kilo auf die Nuss im Seerosenfeld. „Es läuft“, denke ich mir und ziehe mich zurück ins Auto, das auch in dieser Nacht wieder als Schlafplatz herhalten muss. Nachts, keine Ahnung wann genau, piept die Rute am Ausläufer der Insel 3 mal. Das reicht, um anzuschlagen. Es dauert lange bis ich über dem Fisch bin. Ca. 180 Meter habe ich mich mit dem schweren Kahn (Nein, nicht Oliver) unter den Füßen Richtung Fisch gezogen. Als ich sehe, dass es ein großer Fisch ist, macht sich kaum Verwunderung in mir breit – im bisherigen Drill habe ich es schon vermutet. Der Fisch ist einmalig und sofort erkenne ich ihn. Meine Königin, mein Traumschuppi. Wenige Minuten später habe ich sie sicher im Netz. Behutsam und voller Respekt stemme ich den Fisch ins Boot. Respekt, ist ein gutes Stichwort. Der Fisch ist wesenlich älter als ich es bin und ein echtes Prachtstück des Sees.

Ich liege in dieser Nacht noch lange wach und denke über den Fisch und seine Geschichte nach. Ich gehe im Kopf die bisherigen Fänge anderer Angler durch und suche nach einer klaren Linie. Was macht diesen Fisch aus ? Wie könnte man ihn gezielt beangeln? Ich habe einige gute Ansatzpunkte, aber was Greifbares fehlt. Er hat keine Vorzüge was Tiefe, Platz, Köder oder Jahreszeit betrifft. Zumindest wird es aus den bisherigen Fängen nicht deutlich. „Schwierige Sache“, denke ich mir und bin etwas verzweifelt, weil ich meinem Kumpel, der diesen Fisch schon sehr lange gerne fangen würde, nichts hilfreiches sagen kann. Alex freut sich aber dennoch, als er am nächsten Morgen meine SMS liest.

Behutsam trage ich „den Fisch meiner Jugend“, dessen Jagd mein Anglerleben in den Jahren 2005-2007 wesentlich gepägt hat, zurück zum Wasser. Ich bin stolz, dich noch ein mal überlistet zu haben. Mach´s gut, meine alte Königin.

Simon

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